Pandemie Thema bei digitaler Versammlung der Schwetzinger GRÜNEN: Dr. Andre Baumann berichtete von Schwierigkeit gerechter und wirksamer Entscheidungsfindung
„In Krisen ist keine systematische und durchgeplante Politik möglich, sonst wäre es keine Krise“, berichtete Staatssekretär Dr. Andre Baumann von der Schwierigkeit auf Landes- und Bundesebene, zu wirksamen und gerechten Entscheidungen zu kommen. Anlass war die Videokonferenz des Schwetzinger Ortsverbands Bündnis 90 / Die GRÜNEN. Der aus Schwetzingen stammende Bevollmächtigte des Landes Baden-Württemberg beim Bund erzählte während der virtuellen Versammlung, es gebe täglich neue Erkenntnisse. Morgen sei man schlauer als heute. Der Takt der vierzehntäglichen Konferenzen der Ministerpräsidenten folgt dem Takt des Infektionsgeschehens, denn man „weiß letztlich erst 10 Tage später, ob getroffene Maßnahmen erfolgreich sind“. Dass unter solchen Umständen manche benachteiligt oder eventuell sogar vergessen werden, ist Baumann klar. „Aber genau deshalb bessern wir die Maßnahmenpakete ständig nach und passen sie an“, versicherte er. So kümmerten sich die Krisenstäbe aktuell zum Beispiel intensiv um die Verbesserung der Situation für Menschen mit Behinderung.
Heimbewohner leiden
Auch die Seniorinnen und Senioren in den Pflegeheimen sind im Blick, erläuterte Andre Baumann auf Anfrage aus dem virtuellen Plenum. Diese leiden enorm unter dem fehlenden Kontakt zu den Angehörigen. Gleichzeitig ist das Pflegepersonal stark gefordert, weil Angehörige bei ihren Besuchen bislang auch Teile ihrer Aufgaben übernommen haben. Noch dazu fallen vermehrt Pflegekräfte durch Krankheit aus. Hier Abhilfe zu schaffen, gestalte sich allerdings äußerst schwierig, machte Andre Baumann klar. Immerhin seien Seniorinnen und Senioren am stärksten gefährdet. Da sei es schwierig eine Balance zwischen Lebensqualität und Lebensschutz zu finden.
Eine weitere Personengruppe will Baumann auf Hinweis der Schwetzinger Grünen in Berlin in den Blick rücken: Menschen, die keine Leistungsempfänger sind, aber dennoch mit dem Existenzminimum zurechtkommen müssen. Sie sind auf geringfügige Beschäftigungen angewiesen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Doch sind es gerade die geringfügig Beschäftigten, die jetzt als erstes vor allem von Klein-Unternehmern gekündigt werden mussten.
Ebenso findet sich ein großer Teil dieser Beschäftigungsform in privaten Haushalten. Dort haben die Menschen mit Einkommen am Existenzminimum wegen des „Physical Distancing“ generell keine Arbeitsmöglichkeit mehr. Und keine Bank gewährt Einkommensschwachen einen Kredit.
Prinzipiell zeigte sich Baumann dennoch positiv gestimmt. „Der Bund hat parteiübergreifend innerhalb weniger Tage 156 Milliarden Euro zur Bewältigung der Krise bereitgestellt und das Land Baden-Württemberg weitere 5 Milliarden Euro – das kann sich kaum ein anderes Land auf dieser Welt leisten“, so Baumann.
Fakten aus der Wissenschaft
Auf Anfrage seiner Schwetzinger Parteikollegen und -kolleginnen berichtete er, dass die Entscheidungen geprägt sind von den Erkenntnissen der Wissenschaftler und deren Beratungen. „Daher wussten wir, das Konzept der Herdenimmunität wird scheitern und ist gescheitert“, betonte Baumann. Deshalb seien Maßnahmen ergriffen worden, um die Infektionsrate unter dem Wert 1,0 zu halten. „Sonst setzt wieder ein exponentielles Wachstum ein und das Gesundheitssystem ist nach wenigen Wochen schnell überlastet. Wir wollen auf gar keinen Fall, dass Ärzte in die Bredouille kommen, entscheiden zu müssen, wer leben darf und wer stirbt“, sagte Baumann. Landtagsabgeordneter Manfred Kern berichtete an diesem Abend, dass erst wenige Tage zuvor Epidemiologe der Universität Heidelberg die Landtagsfraktion beraten habe.
Wissenschaftliche Erkenntnisse erklären auch die Kehrtwende Baden-Württembergs in Sachen Mundschutz. Baumann erläuterte, zum einen habe das Robert-Koch-Institut seine Position zum Mund-Nasen-Schutz geändert. Zum anderen seien durch die Öffnung der Läden nun viele Menschen unterwegs, berichtete Baumann weiter. Mit dem Mund-Nasen-Schutz soll das Infektionsrisiko verringert werden. Und auch hier gilt: „Ob das etwas genutzt hat, werden wir in 10 Tagen sehen“, so Baumann. In der Zwischenzeit bemüht man sich im Land um professionelle Atemmasken für Ärzte und Pflegepersonal, erzählte Baumann weiter.
Klimakrise bleibt aktuell
Trotz aller Notwendigkeiten, die die derzeitige Situation abverlangt, behielten die GRÜNEN bei ihrer Videokonferenz auch andere Krisen auf dem Schirm. Vor allem bedroht die Klimakrise weltweit die Existenz ganzer Völker, weil sie die Lebensräume der Menschen in der Größenordnung ganzer Landstriche vernichten kann, so der Tenor der Versammlung. Nach Meinung der GRÜNEN gerät das Thema Klimaschutz auf europäischer Ebene zu weit in den Hintergrund. Sie sind sich einig, dass sich die Unternehmen jetzt nicht mit dem Argument „Corona“ aus den getroffenen Vereinbarungen stehlen dürfen. „Hilfen aus einem kommenden Konjunkturpaket sind an Nachhaltigkeit und Klimaschutz auszurichten.“
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