Dr. Andre Baumann und Schwetzinger Grüne informieren sich über die Planung des neuen Stadtquartiers auf dem Pfaudler-Areal
Schwetzingen. Dort, wo heute noch gewaltige Fabrikhallen und verwitterte Backsteingebäude von der rund 110-jährigen Industrievergangenheit von Pfaudler Co. zeugen, soll in den nächsten Jahren ein neues Stadtquartier entstehen. Dr. Andre Baumann, Landtagskandidat für B90/Die Grünen im Wahlkreis Schwetzingen hat sich bei einem Rundgang über das Gelände über die Fortschritte der Planung informiert.
Entsteht hier ein Stadtquartier, das ökologisch hohen Ansprüchen genügt? Wird auch bezahlbarer Wohnraum geschaffen, wo Jung und Alt neben- und miteinander leben? Kann sich ein Projekt unter diesen Vorgaben am Ende auch für Investoren rechnen? Das sind die Fragen, die für Baumann vor der Entwicklung einer Bebauung geklärt sein müssen und die bei der Begehung im Vordergrund standen.
Andreas Epple, der Geschäftsführer der Epple GmbH, und Dr. Thomas Grimann, Geschäftsführer von Conceptaplan (CCP) erläuterten Baumann das Konzept der Bebauung und führten über das Gelände zwischen Scheffelstraße und Bahnlinie. Begleitet wurde Baumann dabei von den Stadträtinnen und Vorstandsmitgliedern der Schwetzinger Grünen.
Das Unternehmen von Andreas Epple wird auf rund 6,7 Hektar in zwei Bauabschnitten ein Zukunftsquartier wachsen lassen, so die Pläne des Investors. Im ersten Bauabschnitt im Norden des Areals werden dabei zunächst 7 Häuser entstehen. Doch erst musste eine Lösung für die EU-weit stark bedrohten und daher streng geschützten Mauereidechsen gefunden werden, die auf dem trockenen, sonnigen Industriegelände einen idealen Lebensraum gefunden haben. Mit Zustimmung der Naturschutzbehörde wurden die Tiere, die im ersten Bauabschnitt lebten, in das wesentlich größere Gelände des zweiten Bauabschnittes umgesiedelt. Zusätzliche Maßnahmen des Investors sorgen dafür, dass die Eidechsen dort ausreichend Rückzugsmöglichkeiten finden. Diese Zwischenlösung erscheint für Baumann eine akzeptabele Lösung. Der ehemalige Umweltstaatssekretär und NABU-Landesvorsitzender kennt das Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Bauwirtschaft gut. Er hofft, dass bald Ausgleichsflächen gefunden werden, um die Tiere endgültig umzusiedeln und so ihren Bestand nachhaltig zu sichern. Denn angesichts des fortschreitenden Klimawandels und schrumpfender Lebensräume für Tiere und Pflanzen dürfe wirtschaftlicher Fortschritt nicht auf Kosten der Natur stattfinden. „Das haben wir in Schwetzingen leider auch schon anders erlebt“, so die Stadträtinnen Kathrin Vobis-Mink und Dr. Susanne Hierschbiel.

Die Exkursionsgruppe in einer der alten Fabrikhallen. Foto: Marco Montalbano.
Für den zweiten, deutlich größeren Bauabschnitt, dort wo jetzt noch die Fabrikhallen stehen, müsse der Bebauungsplan erst noch vom Gemeinderat aufgestellt werden, führte Epple aus. Am Ende sollen auf dem Gelände bis zu 2000 Menschen wohnen. „Wir möchten einen Stadtteil des Miteinanders“, sagte er. Es werden seniorengerechte Wohnungen und ein Kindergarten entstehen und neben den Wohnungen auch Flächen fürGewerbe und Dienstleistung. Baumann begrüßte es, dass so nicht nur ein reines Schlafquartier entsteht. Er sprach zudem den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum an und Stadträtin Vobis-Mink betonte, dass nicht nur bezahlbarer Wohnraum in Schwetzingen knapp ist. Auch an barrierefreien und behindertengerechten Wohnungen mangele es. Andreas Epple stellte eine weitere soziale Komponente des Konzeptes vor: die Grünflächen sollen teilweise öffentliche Begegnungsflächen werden.
Die Bürgerinnen und Bürger in die Vorplanungen einzubeziehen, ist für Staatssekretär Baumann ein wichtiger und elementarer Aspekt bei Planungen. Daher war er erfreut zu hören, dass schon 2018 bei einer Dialogveranstaltung Ideen, Vorschläge und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger für den ersten Bauabschnitt gesammelt wurden. Die Vorschläge, so Epple, seien geprüft worden und in Teilen in das Konzept des ersten Bauabschnitts eingeflossen. Für November 2020 sei eine weitere Bürgerinformation zu den Planungen in Vorbereitung. Und im städtebaulichen Rahmenvertrag, der noch geschlossen werden muss, würden weitere Eckpunkte der Planung ausgewiesen. Was im städtebaulichen Rahmenvertrag festgelegt werden soll, hat der Gemeinderat übrigens bereits am 2. Mai 2019 beschlossen – unter anderem sollen Aussagen zum zukünftigen Energiekonzept, zur Deckung des Wohnbedarfs von einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen, zu ökologischen Bedingungen (Klimaschutz) und zum Lärmschutzes getroffen werden.
Geplant sei ein möglichst klimaneutrales Stadtquartier, so Epple. Die Wohngebäude sollen dem KfW 55-Energiestandard genügen. Dieser Standard bedeutet: Nur 55 % der Energie eines „normalen“ Referenzgebäudes werden verbraucht. Auf Nachfrage Baumanns teilte Epple mit, dass die Dachflächen mit Photovoltaik-Modulen belegt würden, was der Landtagskandidat der Grünen ausdrücklich begrüßte: „Im neuen Klimaschutzgesetz des Landes konnten wir leider nur eine Photovoltaikpflicht für neue Gewerbegebäude durchsetzen. Mehr hat die CDU nicht mitgemacht. Eine PV-Pflicht für neue Wohngebäude soll nächste Legislaturperiode kommen.“ Insofern sei die bisherige Planung für das Pfaudler-Areal der Zeit auch in diesem Punkt voraus.
Baumann fragte nach den Baustoffen, die verwendet werden sollen. Insbesondere nach einer Verwendung von Recycling-Beton und Holz als Betonersatz. Epple erklärte, dass das Abbruchmaterial der Pfaudler-Gebäude statt Kies dem Beton zugeschlagen werde. „Wir recyceln teilweise die Fabrikgebäude direkt auf der Baustelle“, sagte Epple. Im zweiten Bauabschnitt sei auch die Errichtung von Gebäuden in Holz-Hybridbauweise angedacht. Auch dies trage zum Klimaschutz bei. Baumann lobte ebenfalls, dass nicht belasteter Erdaushub soweit möglich auf der Baustelle zur Geländemodellierung verwendet und nicht auf eine Deponie transportiert wird.
Die Frage des Lärmschutzes durch die Lage direkt an der Strecke der Rheintalbahn ist für die Grünen ebenfalls zentral. Darauf angesprochen erklärte Andreas Epple, dass die Außenwände der Gebäude zur Bahnstrecke hin in einer besonderen, schallschutzorientierten Architektur ausgeführt werden und spezielle Schallschutz-Fenster erhalten sollen. „Diese Gebäude schirmen dann wiederum die dahinter liegenden Gebäude und die großen Grünflächen zwischen dem Gebäudekomplexen ab.“ Auch die Raumaufteilung der Wohnungen an der Bahnstrecke spiegelt dieses Prinzip wider: Badezimmer und Küche liegen zur Bahnseite, Wohn- und Schlafbereiche auf der ruhigen, dem parkähnlichen Innenhof zugewandten Seite. Stadt- und Kreisrätin Sabine Walter, Mitglied im Vorstand der Schwetzinger Bürgerinitiative gegen Bahnlärm, wünschte sich dennoch zusätzliche Maßnahmen entlang der Bahnstrecke. Den Schienenlärm einzudämmen ist für sie unabdingbar, da die Wohngebäude in unmittelbarer Nähe des Gleisbettes stehen werden.
Baumann erkundigte sich auch nach der Berücksichtigung von E-Mobilität, Radverkehr und ÖPNV. Die Antwort: Ladepunkte für E-Autos seien geplant, eine Machbarkeitsstudie für eine Brücke über die Bahnlinie zum geplanten Radschnellweg nach Heidelberg und zum Bahnhof habe die Stadt beauftragt. Auf die Nachfrage zum Energiemanagement für die Ladepunkte der E-Autos verwies Epple auf den Starkstrom-Anschluss der Pfaudlerwerke, der ein schnelles und gleichzeitiges Laden sehr vieler Elektroautos ermögliche.
Am Ende der Exkursion bedankten sich Baumann und die Schwetzinger Grünen für den Rundgang und die eingehenden Informationen. „Sie zeigen: Ökonomie, Ökologie und Soziales sind keine Gegensätze – wenn man es richtig macht,“ so Baumann. Er sei froh, dass in Schwetzingen ein solch ambitioniertes und zukunftsweisendes Projekt geplant werde. „Wenn ich an das Stadtquartier auf dem Gelände der ehemaligen Bundesgartenschau in Heilbronn denke, kann ich hier viele Ansätze wiedererkennen und freue mich, wenn auch in Schwetzingen ein gelungenes Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung entsteht“, so Baumann am Ende des fast zweistündigen Rundgangs.
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