Dr. Andre Baumann referierte beim Ortsverband der Grünen über wichtiges Standbein des Naturschutzes
In großer Zahl kamen die Interessierten zur Mitgliederversammlung von Bündnis 90 / Die Grünen Schwetzingen am internationalen Tag des Artenschutzes. Der Grund: Dr. Andre Baumann, Staatssekretär der Landesregierung Baden-Württemberg, refierierte zum Thema Biotopverbund. Als Schwetzinger richtete er dabei den Fokus auf unsere Region. Auch in der Kurpfalz sei die Natur „im Sinkflug“. Zahlreiche Arten, die noch vor wenigen Jahrzehnten allgegenwärtig waren, seien vom Aussterben bedroht, berichtete Dr. Baumann gleic zu Beginn. Dazu gehörten das Rebhuhn und die Feldlerche, deren Bestand sich innerhalb kurzer Zeit halbiert hat. Der Feldhamster ist in Schwetzingen und Plankstadt längst verschwunden. In Mannheim kämpft er ums Überleben.
Eine wesentliche Ursache dafür ist die Verinselung von Lebensräumen, die zum Rückgang der Artenzahl und der genetischen Vielfalt führt, wie Dr. Baumann an diesem Abend erklärte. Um hier gegenzusteuern, brauche es den Biotopverbund – also den Verbund von Lebensräumen und Populationen. Der müsse neben dem Flächenschutz oberstes Ziel des Naturschutzes sein .
„Dabei ist es wichtig, vorausschauend zu planen statt zu reagieren“, betonte Dr.Baumann. Dazu sei ein neues kommunales Biotopverbund-Konzept notwendig. Die Vernetzung von Habitaten müsse bei der Baulandplanung streng beachtet werden. In diesen Arealen dürfe keine Konversion stattfinden und auch kein Ackerbau, so Baumann. Kommunale Liegenschaften sollten für den Biotopverbund bereitgestellt werden.
Um diese Ziele durchzusetzen, bedarf es einer kommunalen Umweltbeauftragten, die als „Kümmerer“ fungiert und mithilft, die Einhaltung der Zielvorgaben zu kontrollieren, stellte Dr. Baumann fest. Noch seien viele Widerstände zu spüren: von den Gemeinden, die Kosten vermeiden, und den Bauern, die kein Ackerland abgeben wollen, berichtete Dr. Baumann. Er führte aber auch positive Gegenbeispiele an. So gelang in Heilbronn die Vernetzung von Ackerrainen als „Blühstreifen“ . Dort sei kein Insektensterben zu beobachten. Die Landwirte arbeiten dort mit und übernehmen die Pflege, wofür sie bezahlt werden. „Biotopverbund geht nur zusammen“, sagt Baumann.
Schwetzingen hat für einen Biotopverbund Bedeutendes beizusteuern: Die Binnendünen und Sandmagerrasen unserer Gemarkung sind in Deutschland einmalig. Ein erster Schritt zum Biotopverbund ist bereits gemacht. Der NABU erwarb den Hirschackerwald. Dort findet sich als letzter Bestand in Deutschland die Sandstrohblume. Sie ist Lebensgrundlage eines Falters, der Sandstrohblumeneule, der in ganz Baden-Württemberg ebenfalls nur noch im Hirschacker vorkommt.
Dr. Baumann skizzierte an diesem Abend, wie sich der weitere Biotopverbund in Schwetzingen gestalten könnte. So sollten der ehemalige Rangierbahnhof Hirschacker, die Düne Eichenbuckel, der Schäferbuckel, die Böschungen der B 535 sowie die Sandmagerrasen der Tompkins Barracks und am Friedhof einbezogen werden. Ziel sei dabei, Flächen gleicher Beschaffenheit, Flora und Fauna miteinander zu verbinden.
Eine weitere Priorität für den Biotopverbund haben die Schwetzinger Wiesen. Hier gilt es die Rheinauenbiotope zu schützen, die regelmäßig überschwemmt werden, wie Moorflächen und Feuchtwiesen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe erarbeitet derzeit in einer Machbarkeitsstudie, wie Landwirtschaft und Naturschutz auf den nassen und moorigen Auenböden zusammengehen.
Außerdem habe das Land Baden-Württemberg kürzlich weitere Flächen in den Schwetzinger Wiesen aufgekauft, erzählte Dr. Baumann. Somit besitzen das Land und die Stadt Schwetzingen dort in großem Umfang Flächen. Baumann zufolge ist es möglich, dass in Abstimmung mit den Landwirten hochwertige Wiesen und Lebensräume entstehen können. Landwirte würden im Rahmen des Vertragsnaturschutzes bereits schon jetzt dafür honoriert, dass wertvolle und wunderschöne Lebensräume entstehen und erhalten werden.
Auch finanziell ist aktuell Spielraum für Vernetzungs-Projekte gegeben. Denn der Landtag hat jetzt im Rahmen der Weiterentwicklung des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ weitere umfangreiche Finanzmittel für den Biotopverbund auf kommunaler Ebene bereitgestellt.
Dr. Susanne Hierschbiel dankte Andre Baumann und leitete aus seinen lebendigen Ausführungen den klaren Auftrag für Schwetzingen ab, in unserer Stadt den Biotopverbund auszubauen und die Stelle eines Umweltbeauftragten wieder einzurichten. Für einige Arten, die nur hier leben, tragen Schwetzinger, Brühler und Ketscher eine weltweite Verantwortung.
Die Sprecherin des Ortsverbands Dr. Susanne Hierschbiel dankte auch allen Interessenten, die aus den Nachbargemeinden den Weg zur Veranstaltung nach Schwetzingen gefunden hatten – darunter Kreis- und Gemeinderat in Ketsch, Günther Martin, und der Ketscher Gemeinderat Bernd Kraus.
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Viel abhängiger von einzelnen Pflanzenarten sind die Wildbienen. Sie ernähren sich oft nur von einer bestimmten Pflanzenart und wenn diese verschwindet, verschwinden auch die kleinen Schwestern der Honigbienen. Sie tragen Namen wie Seiden- und Zottelbiene oder auch Rainfarn-Maskenbiene. Diese wurde gerade zur Wildbiene des Jahres gekürt.
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Dass wir dann im Sommer und Herbst Obst oder auch Raps ernten können, verdanken wir allein den Bienen, Wildbienen, Hummeln und anderen Bestäubern. Denn 80 % der Blütenpflanzen sind auf die fleißigen Bestäuber angewiesen. Ohne Bienen, die anderen Insekten sind dabei gar nicht mitgerechnet, würde der Ertrag bei Äpfeln um 60%, bei Birnen sogar um fast 90 % zurück gehen, so eine Berechnung des Deutschen Imkerbundes.
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