Frauen in Schwetzingen – historischer Stadtspaziergang der Schwetzinger Grünen

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Pressemitteilung, Schwetzingen, 17.05.2024

Frauen in Schwetzingen – historischer Stadtspaziergang der Schwetzinger Grünen

Wer waren sie und wo lebten sie – die Frauen, die die Stadtgeschichte von Schwetzingen von Anfang an prägten, deren Spuren sich im Stadtbild aber kaum wiederfinden? Denn es gibt in der jüngeren und älteren Geschichte Schwetzingens durchaus Frauenpersönlichkeiten, die es wert sind nicht vergessen zu werden.

Für die Schwetzinger Grünen der Anlass, einen Stadtspaziergang für Interessierte zu organisieren, der bei strahlendem Sonnenschein am Schlosstor startete. Als Referentin konnten die Grünen Dr. Martina Rothley gewinnen. Die studierte Historikerin kandidiert auf Listenplatz sieben bei den Grünen für den Gemeinderat und wohnt in der Schwetzinger Nordstadt. Sie stellte den Teilnehmerinnen exemplarisch fünf Frauen vor, deren Leben und Wirken eng mit Schwetzingen verbunden ist: Agana, die mit der Schenkung ihrer Besitztümer in Suezzingen an das Kloster Lorsch 766 quasi den Grundstock für das heutige Schwetzinger Stadtgebiet legte, Luise von Degenfeld, die die zweite Frau des Kurfürsten Karl I. Ludwig, sowie Clementine Bassermann, Marie Maisenhölder und Hanna von Hoerner.

Beim Schloss stellte Dr. Rothley Agana und Luise von Degenfeld (1634-1677) vor, deren Rolle nicht unterschiedlicher hätte sein können.

Hier die selbstbewusste merowingische Stifterin, die ihre Ländereien um Schwetzingen 766 dem Hl. Nazarius vom Kloster Lorsch übereignete, dort die erste ständige Bewohnerin des Schwetzinger Schlosses, die erst von Vater und Bruder, dann vom Ehemann abhängig war.

Aganasteht in der spätantiken Rechtstradition der Merowingerzeit, die Männer und Frauen rechtlich und ökonomisch weitgehend gleichstellte. Später geht diese Gleichstellung für viele Jahrhunderte verloren.

Luise von Degenfeldentstammte einer schwäbischen Reichsritterfamilie und kam mit 18 Jahren als Kammerfrau der Kurfürstin Charlotte von Hessen-Kassel an den Heidelberger Hof. Der wesentlich ältere Kurfürst machte sie 1653 zu seiner Geliebten. Vier Jahre und zahllose Auseinandersetzungen später verstieß er die Kurfürstin und löste als oberster Kirchenherr der Pfalz die Ehe auf. Er heiratete Luise und überließ ihr die Schwetzinger Wasserburg als Wohnstatt. Die Ehe war nicht standesgemäß, da Luise aus dem niederen Adel stammte. Damals ein echter Skandal. Sie lebten ein fast bürgerliches Idyll: Er kam am Wochenende ins Schloss, schickte Geschenke, sie strickte ihm warme Socken. Luise brachte 13 Kinder zur Welt und starb 1677 bei der Geburt des 14. Kindes.

Anschließend gab Rothley Einblicke in das Leben von Franziska Danzi Lebrun (1756-1791), eine zu ihrer Zeit sehr geschätzte Sopranistin, Komponistin und Klaviervirtuosin, die in der Carl-Theodor-Straße 3, dem heutigen Sitz der Volksbank, aufwuchs. Sie war die Tochter des Veroneser Violoncellisten Innocenz Danzi und Schwester des Komponisten Franz Danzi. Dank überdurchschnittlicher musikalischer Begabung debütierte sie bereits 1772 mit 16 Jahren am Theater in Schwetzingen. Fünf Jahre später avancierte sie zur Primadonna der Mannheimer Oper als Pfalzgräfin Anna in der dt. Oper „Günther von Schwarzburg“ von Ignaz Holzbauer. Da sie dort mit 400 Gulden pro Jahr verhältnismäßig wenig verdiente, ging sie auf Europa-Tournee, um sich ihren Brautschatz zu verdienen. Sie heiratete den gefeierten Oboe-Virtuosen Ludwig August Lebrun und bekam zwei Töchter, die ebenfalls als Musikerinnen tätig waren. 1780 erschienen ihre ersten Sonaten für Cembalo und Violine. Sie war auch als Komponistin erfolgreich. In Wien traf sie Mozart, dessen Vater bezeugt, dass die Lebruns „in drei erstaunlichen Konzerten erschröck: viel Geld“, nämlich 2.500 Gulden einnahmen. Da nicht aus reichem Elternhaus musste sie sich ihren Lebensunterhalt selber verdienen und tat dies auch als Ehefrau und Mutter. Ihr Ehemann starb 1790 überraschend in Berlin, Franziska kurze Zeit später mit nur 35 Jahren.

Die einzige Ehrenbürgerin Schwetzingens lernte die Gruppe beim Ysenburg’schen Palais in der Forsthausstraße kennen. Hier lebte Clementine Bassermann (1825–1910), die als Wohltäterin Schwetzingens bekannt wurde.

Obwohl aus einer wohlhabenden Familie stammend, war die 23jährige Clementine nach dem Tod der Eltern mittellos. Sie ließ sich im Elsass zur Lehrerin ausbildenund nahm eine Anstellung im Hause des reichen Weinhändlers Jordan in Deidesheim an. Dort lernte sie ihren späteren hochgebildeten, aber lebensuntüchtigen Mann Gustav Bassermann kennen, einen reichen Bankierssohn, der stolze 80.000 Gulden mit in die Ehe brachte. Im September 1864 zog das Ehepaar mit seinen drei Kindern ins beschauliche Schwetzingen, ins Ysenburg’sche Palais. Während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 richtete der Frauenverein unter Leitung Clementines ein Reservelazarett in den Zirkelsälen des Schlosses für deutsche UND französische Soldaten ein, was ihr nicht nur Lob einbrachte.

Nach dem Tod ihres Mannes spendete sie große Summen für Arme, das städtische Spital, eine Kleinkinder- und eine höhere Töchterschule. Sie ließ Sozialwohnungen im zugekauften kurfürstlichen Waschhaus errichten und 1897 wurde das Armen- und Krankenhaus in der Hildastraße eingeweiht. Clementine wurde für ihre beständige Wohltätigkeit zur Ehrenbürgerin ernannt – als erste Frau in Baden.

Wie schon Franziska Danzi Lebrun zwang materielle Not Clementine zunächst zur Berufstätigkeit, aber ihre eigentliche Rolle war die einer hingebungsvollen Ehefrau, Mutter und Großmutter, die sich für die Schwächeren karitativ engagierte.

Dieses soziale Engagement hatte sie mit Marie Maisenhölder (1906-1998) gemeinsam. Schwetzingens erste und langjährige SPD Stadträtin kannten einige der Teilnehmerinnen beim Stadtspaziergang noch persönlich.

Sie wurde als Marie Blaull in eine kinderreiche Schwetzinger Arbeiterfamilie geboren. Für eine höhere Schulbildung war kein Geld vorhanden. Daher engagierte sie sich schon früh in der von Marie Juchacz 1919 gegründeten AWO. Sie trat in die SPD ein, wo sie den Schwetzinger Arbeitersohn Paul Maisenhölder kennenlernte und 1930 heiratete. In der NS – Zeit kam Paul erst in politische Haft, dann an die Front. Marie durfte nicht arbeiten und engagierte sich ehrenamtlich und sozial, besonders für Kinder und Mütter. Nach dem Krieg organisierte sie die Hoover-Speisung von Kindern und Jugendlichen in der HildaSchule. Sie wurde Frauenbeauftragte der SPD in Schwetzingen und 1956 Gemeinderätin, ab 1975 stellvertretende Bürgermeisterin. Sie wurde immer wiedergewählt, bis sie sich 1984 aus dem Amt zurückzog. Schon 1963 wurde sie Vorsitzende der AWO und engagierte sich als Gemeinderätin in verschiedenen Sozialausschüssen, auch über Ländergrenzen hinweg. 1984 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Marie Maisenhölder starb 1998 nach Jahren der Krankheit im Alter von 91 Jahren. Sie war eine Macherin, eine echte Demokratin, die stets den Konsens über Parteigrenzen hinaus suchte.

Der Rundgang endete am Schlossplatz. Dort hat das von der Astrophysikerin Hanna von Hoerner (1942-2014) gegründete Unternehmen Hoerner & Sulger seinen Firmensitz. Von Hoerner war zu ihrer Zeit europaweit die einzige Frau in leitender Position in der Raumfahrtindustrie. Als Tochter des weltberühmten Astrophysikers Sebastian von Hoerner in Görlitz geboren, kam sie schon als Jugendliche mit bedeutenden Wissenschaftlern ihrer Zeit in Berührung. Mit 6 Jahren baute sie ihr erstes Radio, mit 14 und Vaters Hilfe ein Oszilloskop aus Elektroschrott. Hanna studierte 2,5 Jahre Elektronik in den USA und arbeitete als Forschungsassistentin am größten Radioteleskop der Welt. Sie studierte experimentelle Physik und schrieb ihre Diplomarbeit in der Weltraumforschungsgruppe. Von Hoerners größter Erfolg ist die Entwicklung des Staubmassenspektrometers COSIMA, das für die ESA-Mission ROSETTA, die 2004-2014 Staubkörner auf unterschiedlich weit entfernten Kometen sammelt, analysiert und die Ergebnisse an die Erde funkt. Für ihre Leistungen wurde sie mit dem Landesverdienstorden und dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.

Dr. Rothley sagte, bei ihren Recherchen sei sie noch auf viele weitere Frauen gestoßen, deren Leben eng mit Schwetzingen verwoben ist. Dabei verwendete sie unter anderem das Buch „Schwetzinger Frauengeschichten“ als Quelle. Doch im Stadtbild findet man diese Frauen kaum erwähnt oder sie werden erst in zweiter Linie genannt. So wie Franziska Danzi Lebrun, die bei der Motivbank über die Künstlerfamilie Danzi auf dem Weg der Hofmusik Erwähnung findet. Die Ehre, dass eine Straße nach ihr benannt wurde, wurde 1909 Clementine Bassermann zuteil. Mehr sind es seither nicht geworden.

Zu den „Hidden Champions“ Schwetzingens gehört sicherlich Marie Maisenhölder. Darin war sich die Gruppe einig.

Die Grünen Stadträtinen Dr. Susanne Hierschbiel, Kathrin Vobis-Mink, die auch Frauendelegierte des Grünen Kreisverbandes ist, und Anja Mohrmann hatten auch einige Fakten zu Frauen in Kommunalparlamenten mitgebracht. So beträgt der Fraunanteil in der Bevölkerung 50,7%. In den Gemeinderäten in Baden-Württemberg sind jedoch nur 26,8% der Mitglieder Frauen. Dass dabei in 22 Gemeinden keine einzige Frau im Gemeinderat ist, mochte die Gruppe beim Stadtrundgang kaum glauben. In Schwetzingen sieht das etwas besser aus. Hier sind immerhin 12 von 26 Gemeinderatsmitgliedern Frauen. Im Durchschnitt ist in allen Gemeinden Baden-Württembergs ist der Frauenanteil bei den Fraktionen der Grünen am höchsten. 49% aller Grünen Abgeordneten in Gemeinderäten sind Frauen. Danach folgen die Linken mit 39,1%, die SPD mit gut einem Drittel, die CDU und die FDP je etwa einem Fünftel und als Schlusslicht die AfD, von deren Abgeordneten nur 6,8% Frauen sind.

In Schwetzingen sind mit Kathrin Vobis-Mink, Anja Mohrmann, Dr. Susanne Hierschbiel und Sabine Walter, die gleichzeitig Kreisrätin ist, vier der sechs Grünen Sitze an Frauen vergeben.

Wie immer kandidieren bei den Grünen auch in dieser Kommunalwahl mindestens auf der Hälfte der Listenplätze Frauen. „Bei unserer Liste zur Gemeinderatswahl sind dieses Mal 15 von 26 Plätzen von Frauen besetzt. Wer Grün wählt, weiß, dass Frauen bei uns auf den vorderen Plätzen stehen“, so Kathrin Vobis-Mink. Sie freut sich, dass neben denen, die seit vielen Wahlen dabei sind, auch viele neue Frauen für die Grünen kandidieren.

Im neugewählten Gemeinderat wollen die Grünen Stadträtinnen dafür sorgen, dass auch die Frauen aus Schwetzingens Stadtgeschichte mehr Würdigung erfahren, denn ohne engagierte Frauen gibt es keine lebendige Gemeinschaft in Schwetzingen.

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